
Wenn Fremde Kinder ansprechen: Zwischen berechtigter Sorge, Hysterie und notwendiger Aufklärung
Immer wieder kommt es vor: Kinder berichten, dass sie von Fremden angesprochen oder sogar gelockt worden seien – häufig aus Autos heraus, nicht selten mit Versprechen wie Süßigkeiten oder einem entlaufenen Hund. Auch in einem aktuellen Fall, über den Eltern und Großeltern in sozialen Netzwerken berichten, soll ein Autofahrer – offenbar nicht allein – versucht haben, mehrere Kinder mit Schokolade zu sich zu locken. Die Kinder befanden sich gerade auf dem Heimweg von der Schule.
Zum Glück reagierten die drei Kinder laut Angaben ihrer Eltern richtig: Sie rannten sofort weg und suchten Schutz. Die Eltern lobten das Verhalten ihres Nachwuchses, informierten die Polizei – und teilten die Erlebnisse umgehend über soziale Medien.
Die Polizei bestätigt den Vorfall – aber warnt vor Schnellschüssen
Ein Polizeisprecher aus Ravensburg bestätigte gegenüber unserer Redaktion, dass drei Kinder betroffen waren und sich in der Situation vorbildlich verhalten hätten. „Die Kinder haben absolut richtig gehandelt. Sie sind nicht stehen geblieben, sondern haben sich der Situation entzogen und Hilfe gesucht“, sagte der Sprecher. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass er die Reaktion mancher Eltern – insbesondere das schnelle Veröffentlichen über soziale Medien – kritisch sieht.
„Solche Posts, auch wenn sie gut gemeint sind, können unnötige Ängste und eine gewisse Hysterie in der Bevölkerung auslösen“, erklärte der Polizeisprecher. „Und sie helfen uns bei den Ermittlungen in der Regel nicht weiter. Im Gegenteil: Sie sorgen oft für Verwirrung und erschweren eine objektive Aufklärung.“
Statistik: Wie oft kommt das in Deutschland wirklich vor?
Laut polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts wurden im Jahr 2023 bundesweit rund 1.150 Fälle registriert, in denen Kinder unter 14 Jahren von Fremden angesprochen oder belästigt wurden – darunter auch versuchte Entführungen oder Lockversuche. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, da nicht alle Vorkommnisse angezeigt oder dokumentiert werden.
Zugleich zeigt die Erfahrung: In über 90 % der Fälle bleibt es bei einem Ansprechen oder Lockversuch ohne körperlichen Übergriff – was das Verhalten der Kinder und deren Selbstschutz umso wichtiger macht.
Was Eltern tun sollten – und was nicht
Die Polizei rät eindringlich dazu, Kinder altersgerecht auf potenzielle Gefahrensituationen vorzubereiten – ohne Panik, aber mit klaren Regeln. Dazu gehört:
- Ein gesundes Misstrauen gegenüber Fremden fördern: Kinder sollten wissen, dass sie nie mitgehen oder etwas annehmen dürfen – egal wie nett jemand erscheint.
- Rollenspiele mit den Kindern üben: Was tun, wenn ein Fremder anspricht? Wie laut darf ich werden? Wo finde ich schnell Hilfe?
- Vertrauensvolle Kommunikation: Kinder müssen das Gefühl haben, jederzeit über unangenehme Erlebnisse sprechen zu dürfen.
- Nicht vorschnell posten oder Gerüchte verbreiten: Stattdessen die Polizei kontaktieren und den Sachverhalt sachlich schildern.
Früher war Aufklärung Teil des Schulalltags – heute fehlt sie oft
In früheren Jahrzehnten gehörten Schulprojekte wie „Verhalten gegenüber Fremden“ oder präventive Polizeibesuche zum festen Bestandteil des Unterrichts. Heute fehlen solche Aufklärungseinheiten häufig – sei es aus Zeitmangel oder weil Themen wie Datenschutz überbetont werden.
Dabei wäre gerade heute eine strukturierte und altersgerechte Prävention wichtiger denn je: In einer digitalen Welt, in der Kinder nicht nur auf der Straße, sondern auch online von Unbekannten angesprochen werden können, braucht es neue Konzepte und mehr Engagement von Schulen, Eltern – und der Politik.
Fazit: Aufklärung statt Panik – Vertrauen statt Angst
Es ist wichtig, Vorfälle ernst zu nehmen, aber ebenso wichtig ist es, sie nüchtern und sachlich zu bewerten. Panik und Hysterie helfen niemandem – sie können im schlimmsten Fall sogar echte Gefahren überdecken. Eltern sollten besonnen handeln, Kinder stark machen – und gemeinsam mit Schulen, Polizei und Öffentlichkeit für mehr Aufklärung sorgen.
Denn nur wer vorbereitet ist, kann in Gefahrensituationen richtig reagieren.