
Balingen zwischen Erinnerung und Aufbruch: NS-Zeit und Gartenschau im Spiegel der Stadtgeschichte
Balingen, heute eine lebenswerte Stadt im Zollernalbkreis mit knapp 35.500 Einwohnern, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Während der Weimarer Republik (1919–1933) war Balingen Teil des freien Volksstaates Württemberg. Die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen jener Jahre führten auch hier zu Unsicherheit, Instabilität und schließlich zur nationalsozialistischen Gleichschaltung.
Mit der NS-Machtübernahme wurde Balingen administrativ umgestaltet: Aus dem Oberamt wurde 1934 der Kreis Balingen, 1938 der Landkreis Balingen. Doch die Veränderungen blieben nicht nur verwaltungstechnisch. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt in das System nationalsozialistischer Zwangsarbeit eingebunden. In den heutigen Stadtteilen Frommern, Erzingen und Engstlatt befanden sich Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof. Im Rahmen des „Unternehmens Wüste“ mussten Häftlinge unter grausamsten Bedingungen versuchen, Treibstoff aus Ölschiefer zu gewinnen.
Obwohl Balingen keine große jüdische Gemeinde hatte, lebten hier einzelne jüdische Familien, darunter der Arzt Dr. Alexander Bloch und der Unternehmer Herbert Schatzki. Beide flohen 1937 vor wachsender Ausgrenzung. Andere, wie die Familie Levi, wurden Opfer der Shoah.
Diese dunkle Vergangenheit hinterließ tiefe Spuren in Balingen. Umso wichtiger ist es, sie nicht zu vergessen – gerade in einer Zeit, in der demokratische Werte wieder unter Druck stehen. Erinnerungskultur, wie sie heute durch Gedenktafeln, Bildungsangebote und lokale Initiativen gepflegt wird, trägt dazu bei, dass die Lehren der Geschichte nicht verloren gehen.
Ein Zeichen des Aufbruchs setzt dagegen die Gartenschau Balingen, die die Stadt 2023 als moderne, offene und lebenswerte Gemeinde präsentierte. Zwischen Blumenpracht, kulturellem Rahmenprogramm und nachhaltiger Stadtentwicklung konnte Balingen zeigen, wie Gegenwart und Zukunft gestaltet werden können – ohne die Vergangenheit zu verdrängen.
👉 Fazit:
Balingen steht beispielhaft für viele kleinere Städte in Deutschland, in denen sich die Schatten der Vergangenheit mit den Chancen der Gegenwart verweben. Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und das bewusste Erinnern an Opfer von Verfolgung gehören ebenso zur Stadtidentität wie Innovation, Lebensqualität und kulturelle Vielfalt – sichtbar etwa durch die Gartenschau.