Buß- und Bettag – Geschichte, Bedeutung & warum heute nur noch Sachsen feiert
Ein stiller Feiertag mit großer Geschichte
Der Buß- und Bettag wirkt in unserer modernen, hektischen Zeit fast wie ein Relikt. Kein Shopping, keine Feuerwerke, keine laute Tradition – stattdessen ein Tag der Besinnung, der Selbstreflexion und des Nachdenkens.
Doch hinter diesem scheinbar unscheinbaren Feiertag steckt eine jahrhundertelange Geschichte, geprägt von Krisen, Kriegen, Seuchen, politischen Wendepunkten und religiösen Reformen. Heute ist er nur noch in Sachsen ein offizieller Feiertag – und genau das macht ihn so besonders.
- Ursprünge im Mittelalter: Ein Tag gegen Not und Katastrophen
Die ersten Buß- und Bettage wurden im Mittelalter ausgerufen – als kollektive Reaktion auf Katastrophen.
- Pestepidemien bedrohten ganze Städte.
- Kriege und die Angst vor Invasionen führten zu Gebetstagen.
- Missernten und Hungersnöte zwangen die Menschen, innezuhalten.
- Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Brände wurden als göttliche Strafe gedeutet.
Der älteste dokumentierte Bußtag stammt aus dem Jahr 1532, als Kaiser Karl V. wegen der Bedrohung durch das Osmanische Reich einen reichsweiten Bußtag anordnete. Mit der Reformation erhielt der Feiertag eine neue Bedeutung: Buße und Gebet als evangelische Kernbotschaft.
- Vom Flickenteppich zum Reichsbußtag
Deutschland war lange ein Flickenteppich kleiner Staaten – jeder regelte seine Feiertage selbst. Manche Regionen hatten mehrere Bußtage im Jahr, andere nur einen, wieder andere nur in Krisenzeiten.
Erst 1893 einigten sich die evangelischen Kirchen auf einen einheitlichen Termin: den Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag. Diese Regel gilt bis heute.
- Der Buß- und Bettag im 20. Jahrhundert
Weimarer Republik & NS-Zeit
- In der Weimarer Republik war der Feiertag verbreitet, aber nicht überall gesetzlich verankert.
- Die Nationalsozialisten sahen religiöse Feiertage skeptisch. 1939 wurde der Buß- und Bettag gestrichen, um „mehr Arbeitszeit für das Winterhilfswerk“ zu schaffen.
Nachkriegszeit
- In Westdeutschland wurde der Feiertag nach 1945 wieder eingeführt – als Tag der inneren Erneuerung nach den Schrecken des Krieges.
- In der DDR galt er zunächst weiter, wurde aber 1966 abgeschafft – religiöse Feiertage passten nicht ins sozialistische Weltbild.
Bundesweiter Feiertag bis 1994
Bis 1994 war der Buß- und Bettag in allen westdeutschen Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag – still, aber fest verankert.
- Das Schicksalsjahr 1995: Abschaffung wegen Pflegeversicherung
Mit der Einführung der Pflegeversicherung musste ein Feiertag gestrichen werden, um Arbeitgeber zu entlasten. Der Buß- und Bettag fiel aus mehreren Gründen:
- Er war ein konfessioneller Feiertag.
- Er hatte keine großen wirtschaftlichen Auswirkungen.
- Er lag spät im Jahr.
Alle Bundesländer strichen ihn – nur Sachsen behielt ihn. Dort zahlen Arbeitnehmer bis heute 0,5 % mehr Pflegeversicherungsbeitrag, während Arbeitgeber den normalen Satz zahlen.
- Bedeutung heute: Ein Tag der Ruhe und Selbstreflexion
Während viele Feiertage kommerzialisiert sind, bleibt der Buß- und Bettag ein Gegenentwurf:
- Kein Konsum, keine Traditionen, keine Feierlichkeit – dafür Raum für Nachdenken.
- Themen in Kirchengemeinden: Frieden, Gerechtigkeit, Verantwortung, Schuld und Vergebung.
- Gesellschaftlich: Ein Tag, der Fragen nach ethischer Verantwortung und Versöhnung aufwirft.
In einer Zeit von Klimakrise, sozialen Spannungen und globalen Konflikten wirkt der Buß- und Bettag fast prophetisch – ein Tag, der uns zwingt, innezuhalten.
- Zukünftige Termine in Sachsen
Der Buß- und Bettag findet immer am Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres statt.
- November 2025
- November 2026
- November 2027
Für Arbeitnehmer*innen in Sachsen ist er ein gesetzlicher Feiertag – bundesweit einzigartig.
- Wird der Buß- und Bettag zurückkehren?
Immer wieder gibt es Diskussionen, den Buß- und Bettag als Pflege-Gedenktag oder sozialethischen Feiertag wieder einzuführen. Bislang fehlt die politische Mehrheit.
Doch gerade in einer Zeit, in der viele Menschen nach Ruhe, Sinn und Orientierung suchen, könnte der Buß- und Bettag eine neue Aktualität gewinnen.
Fazit: Ein einzigartiges Stück deutscher Geschichte
Der Buß- und Bettag ist ein Feiertag voller Geschichte, spiritueller Tiefe und politischer Wendungen. Er erzählt viel über Deutschland – über Werte, Krisen, Reformen und Traditionen.
Heute ist er ein stiller Schatz, der nur noch in Sachsen offiziell gepflegt wird. Und vielleicht macht gerade das ihn so wertvoll.