
Neufra – Geschichte, Natur und Gemeinschaft im Herzen der Schwäbischen Alb
Lage, Landschaft und naturräumliche Besonderheiten
Die Gemeinde Neufra im Landkreis Sigmaringen liegt malerisch auf der Zollernalb, einer landschaftlich markanten Hochfläche der Schwäbischen Alb. Ihre geografische Lage zwischen Stuttgart (ca. 80 km) und dem Bodensee (ca. 70 km) macht sie zu einem reizvollen Wohn-, Lebens- und Erholungsort.
Die Gemeinde liegt auf durchschnittlich 680 Metern über Normalnull, mit Höhenunterschieden von etwa 200 Metern zwischen dem Tal der Fehla im Südwesten und dem Forst Buo Nack im Nordosten (887,5 m ü. NHN). Das abwechslungsreiche Höhenprofil bietet eine Vielzahl an Aussichtspunkten und markanten Landschaftsformen – von sanften Hügeln über Felsen und Trockentäler bis zu dichten Buchenwäldern.
Die Fehla, ein Zufluss der Lauchert, prägt das Ortsbild. Ihr natürliches Flussbett, begleitet von Auen, Wiesen und Waldstücken, stellt ein wertvolles Biotop dar. Der Verlauf der Fehla und das Gelände um den Ebnisberg, das Naturschutzgebiet Herdle sowie die südlich anschließende Wacholderheide in Freudenweiler gehören zum europaweiten FFH-Gebiet „Gebiete um das Laucherttal“ und sind Lebensraum für zahlreiche geschützte Pflanzen- und Tierarten.
Die insgesamt 2.838 ha große Gemeindefläche gliedert sich wie folgt:
- Waldfläche: 1.518 ha (über 53 %)
- Landwirtschaftlich genutzte Fläche: 1.215 ha (gut 43 %)
- Wohn- und Siedlungsflächen: 51 ha
- Gewerbeflächen: 8 ha
- Wasser- und sonstige Flächen: 54 ha
Diese Zahlen verdeutlichen den stark ländlich geprägten Charakter der Gemeinde, in der Natur- und Kulturlandschaft noch eine Einheit bilden.
Gemeindegliederung und Nachbarschaftsbeziehungen
Neufra besteht aus:
- dem Hauptort Neufra
- dem höher gelegenen Ortsteil Freudenweiler
- der landwirtschaftlich genutzten und geschichtlich bedeutsamen Domäne Birkhof
Nachbargemeinden sind Bitz, Burladingen (mit Gauselfingen), Gammertingen (mit Bronnen), Hettingen, Veringenstadt und Harthausen auf der Scher (Ortsteil von Winterlingen). Diese Nähe zu anderen Orten macht Neufra zum regionalen Verbindungspunkt auf der Albhochfläche – mit kurzen Wegen, aber dennoch ruhiger Lage.
Einwohner, Demographie und gesellschaftlicher Wandel
Mit 1.894 Einwohnern (Stand: 31.12.2024) zählt Neufra zu den kleineren, aber lebendigen Gemeinden im Kreis Sigmaringen. Über die Jahrzehnte hinweg konnte sich der Ort – trotz ländlicher Struktur – dem bundesweiten Trend der Landflucht entgegenstellen. Seit der Jahrtausendwende liegt die Bevölkerungszahl relativ stabil um die 1.800er-Marke.
Der Ortsteil Freudenweiler zählt 236 Einwohner, was ihn zu einem überschaubaren, aber eigenständigen Gemeindeteil macht. Auffällig ist die ausgeglichene Geschlechterverteilung. In Neufra leben 309 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, was auf eine aktive Familienstruktur schließen lässt.
Neufra ist auch eine internationale Gemeinde: 152 Menschen stammen aus dem Ausland – aus insgesamt über 30 Ländern, darunter Ungarn, Ukraine, Türkei, Italien, Thailand, Laos und Kroatien. Diese Vielfalt ist im Ortsbild sichtbar und prägt das soziale Leben.
Die konfessionelle Struktur zeigt mit über 1.000 Katholiken und gut 300 Evangelischen eine weitgehend christlich geprägte Gemeinde, jedoch mit zunehmendem Anteil konfessionsfreier Menschen (515).
Historischer Rückblick – von der Bronzezeit bis zur Moderne
Die Gegend um Neufra war bereits vor über 3.500 Jahren bewohnt. Siedlungsspuren und Gräber aus der mittleren Bronzezeit, Keramik aus der späten Bronzezeit, sowie Funde aus Hallstattzeit und Latènezeit machen Neufra zu einem bedeutenden archäologischen Standort. Eine keltische Viereckschanze bei Freudenweiler verweist auf kultische oder repräsentative Anlagen der Kelten. Auch römische Artefakte aus dem 1./2. Jh. n. Chr. wurden am Ebinger Berg entdeckt.
Neufra als alemannische Siedlung entstand wahrscheinlich im 6./7. Jahrhundert. Die erste schriftliche Erwähnung 1138 in der Chronik des Klosters Zwiefalten nennt den Ort als „Nufiron“. Im Mittelalter war Neufra ein Zentrum adeliger Herrschaften: Die Herren von Lichtenstein errichteten die Burgen Vorder- und Hinterlichtenstein. Später folgten die Bubenhofen und ab 1507 die von Speth, deren Einfluss prägend blieb – etwa beim Bau des barocken Schlössles oder der Gründung von Freudenweiler durch Gregor Wetzel im Jahr 1795.
Neufra war nicht nur Herrschaftssitz, sondern wurde auch von Kriegen, Krankheiten und Hungersnöten gezeichnet: Typhus (1814, 1862), Hungersnot (1816/17) und Einquartierungen im Preußisch-Österreichischen Krieg hinterließen Spuren.
Nach der Mediatisierung 1806 kam Neufra zum Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen und 1850 zu Preußen. In der Folgezeit wurde der Ort modernisiert – die Elektrifizierung, der Bahnanschluss und der Ausbau der Infrastruktur in der Nachkriegszeit machten Neufra zu einem stabilen ländlichen Zentrum.
Politik, Verwaltung und bürgerschaftliches Engagement
Der Gemeinderat besteht aus 10 Mitgliedern, hinzu kommt der Bürgermeister als stimmberechtigter Vorsitzender. Bei der Kommunalwahl 2024 wurde die Mehrheitswahl angewandt, weil nur ein Wahlvorschlag eingereicht wurde. Die Wahlbeteiligung lag bei soliden 64,4 %.
Die Bürgermeister seit 1962:
- Karl Kast (CDU): 1962–1982, später Ehrenbürger
- Joachim Schweizer: 1982–1990
- Johannes Hauser: 1990–1998
- Jürgen Beck: 1998–2014
- Reinhard Traub: seit 2014, 2022 mit 96,9 % wiedergewählt
Neufra pflegt Partnerschaften mit Elstra (Sachsen) und Fiesch (Schweiz), was den Horizont über das Laucherttal hinaus erweitert.
Baukultur, Kirchen und Burgruinen
Kirchliche Bauten
- Die Pfarrkirche St. Mauritius ist ein Beispiel neugotischer Baukunst des 19. Jahrhunderts und wurde aus Steinen des Weildorfer Steinbruchs errichtet.
- Die Muttergotteskapelle (1591) zeigt einen manieristischen Schnitzaltar – ein seltenes Werk im ländlichen Raum.
- Die Franz-Xaver-Kapelle in Freudenweiler und die Hochbergkapelle (1751) sind weitere spirituelle Orte, die heute als Kultur- und Erinnerungsorte dienen.
Burgen und Ruinen
- Die Doppelburg Lichtenstein mit Vorder- und Hinterlichtenstein ist ein beeindruckendes Relikt aus der Zeit um 1150–1200. Der Aufstieg lohnt sich – beide Burgen sind heute frei zugänglich und beliebte Wanderziele.
- Die Ruine Altes Schloss zeigt seltenes Engadiner Mauerwerk und enthält Funde orientalischer Spielfiguren aus dem 11. Jahrhundert.
Natur, Freizeit und sportliche Infrastruktur
Neufra liegt mitten im Naturpark Obere Donau und profitiert von dessen gut ausgebauter Wander- und Radinfrastruktur. Die Kohlloipe bietet im Winter Langlaufvergnügen, das durch Anschluss an die Degerfeld-Loipe bei Bitz erweitert wurde. Auch der Roter-Bühl-Lift ist bei entsprechender Schneelage in Betrieb – inklusive Flutlicht.
Das seit 2002 stattfindende Lauf- und Bike-Event hat sich zu einem beliebten Treffpunkt für Sportbegeisterte aus der Region entwickelt. Angeboten werden Strecken fürs Laufen, Nordic Walking und Mountainbiken.
Wirtschaft, Infrastruktur und Verkehr
Die wirtschaftliche Entwicklung Neufras basiert auf dem Gewerbegebiet Hochberg, das seit 1990 fertiggestellt ist. Daneben spielen Land- und Forstwirtschaft, kleinere Handwerksbetriebe und der sanfte Tourismus eine Rolle.
Die verkehrstechnische Anbindung erfolgt über die Bundesstraße 32, Busverbindungen im Verbund NALDO und einen Haltepunkt der Hohenzollerischen Landesbahn. Der ehemalige Bahnhof wurde 1977 abgebrochen.
Die Wasserversorgung wurde 1928 mit dem Anschluss an die Lichtensteinquelle feierlich in Betrieb genommen. Die damals gefeierte „Wasserfest“ ist bis heute legendär – samt Lied und Gedicht von Guido Steinhart. Die Quelle liefert im Schnitt 50 Liter pro Sekunde.